Populäre Reiki-Irrtümer, Teil 1

Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten, lautet ein bekanntes, Johann Wolfgang von Goethe zugeschriebenes Sprichwort. Nun ja – das lässt sich wohl kaum bestreiten, weder wissenschaftlich physikalisch betrachtet, noch aus unserer ganz persönlichen, individuellen Lebenserfahrung heraus. Und natürlich trifft das auch auf die Reiki-Szene und viele der dort verbreiteten Dogmen und Glaubenssätze zu.

Glaubst du noch, oder weißt du schon?

Glauben heißt eben nicht wissen, und Dogmen und Glaubenssätze haben im Usui-System des Reiki grundsätzlich nichts verloren. Immerhin ist es keine Religion, war bewusst nie als solche gedacht, sondern im Gegenteil als Weg zur persönlichen Entwicklung, ohne Abhängigkeiten und Fremdbestimmung von außen.

Beim Reiki braucht es keinen Priester, keinen Vermittler, der die Verbindung zum Göttlichen immer wieder stellvertretend für uns herstellt. Das Geschenk von Reiki ist es, dass uns diese Verbindung, die wir alle bereits von Natur aus in uns tragen, wieder bewusst und erlebbar gemacht wird.

Wie “verbindest” du dich mit Reiki?

Deshalb brauchen wir uns auch nicht extra mit Reiki “verbinden”, bevor wir uns selbst oder anderen Menschen die Hände auflegen. Sobald wir Reiju – so hat Mikao Usui diesen Vorgang zur Reinigung und dauerhaften Wiederherstellung unserer Verbindung mit dem großen Ganzen genannt – empfangen haben, fließt Reiki in verstärkter Form durch unser ganzes Wesen, und zwar jederzeit und überall, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht.

Reiki braucht unser Bewusstsein nicht, deshalb funktioniert es nicht nur in meditativer Stille, sondern auch, wenn wir uns unterhalten, wenn wir fernsehen, ja sogar wenn wir tief und fest schlafen. Reiki ist ein natürlicher Vorgang wie das Atmen – und das funktioniert ja auch nicht nur in meditativer Stille, sondern ganz genauso, wenn wir uns unterhalten, wenn wir fernsehen, ja zum Glück auch, wenn wir tief und fest schlafen…

Wie “schützt” du dich beim Reiki?

In meinen ersten Jikiden Reiki Seminaren bin ich auf dieses Thema naiver Weise mit keinem Wort eingegangen – weil es beim Reiki tatsächlich keine Rolle spielt. Wovor sollte ich mich auch schützen? Wovor Angst haben? Vor mir selbst vielleicht? Vor der Energie des Universums, die uns ohnehin jederzeit und überall umgibt?

Es dauerte allerdings nicht lang, bis die Schülerinnen aus meinen ersten Jikiden Reiki Seminaren verunsichert zu mir kamen und mich fragten, was es denn mit diesem ominösen “Schutz” beim Reiki auf sich habe. Im Gespräch mit Freundinnen, die eine Form des westlichen Reiki gelernt hatten, war die Frage nach dem Schutz nämlich gleich an erster Stelle aufgetaucht.

Im weiteren Verlauf des Gesprächs war dann auch klar geworden, woher diese Angst kam: Die Freundinnen hatten beim Reiki-Geben verschiedene Empfindungen in ihren Händen und Armen wahrgenommen, zum Teil auch recht unangenehme. Auf die Frage, was denn das zu bedeuten habe, hatte ihre Lehrerin geantwortet: Da habt ihr euch nicht gut genug geschützt!

Unwissenheit schafft Angst!

Die Tipps der Lehrerin: Hände unter kaltem Wasser oder wahlweise über der Flamme einer brennenden Kerze reinigen, damit nur ja keine negativen Energien oder Krankheiten des Klienten auf sie übergehen, quasi in sie hineinkriechen können.

Und dann vor jeder Reiki-Sitzung noch besser schützen – durch visualisierte Mäntel, Kugeln, Eier oder Käfige, in den verschiedensten Farben, und sicherheitshalber noch alle Engel und Reiki-Lichtwesen, wer auch immer das sein mag, herbeirufen und um Schutz und Führung bitten, dann wird es schon irgendwie gutgehen, selbst wenn wir keine Ahnung haben, was wir da eigentlich tun…

Nun ja, wenn die Lehrerin gewusst hätte, dass diese Wahrnehmungen in den Händen und Armen ihrer Schülerinnen nichts Böses sind, nichts vor dem man sich schützen müsste, sondern im Gegenteil äußerst nützliche und willkommene Signale, konkretes Biofeedback des Körpers für unsere konkrete Reiki-Arbeit, dann hätte sie ihre Schülerinnen wohl beglückwünscht und ermuntert, diesen Wahrnehmungen zu folgen.

Das Gießkannenprinzip – oder: Reiki ist eigenintelligent…

Tatsächlich handelt es sich bei diesen Empfindungen um Byosen, wie Mikao Usui es genannt hat, verursacht durch meist ganz konkrete materielle Ansammlungen von Schadstoffen, die wichtige Bahnen, wie Blut- und Lymphbahnen blockieren, sich rund um Gelenke und Organe ablagern und den Körper so immer mehr in seinen gesunden Funktionen einschränken.

Es war Mikao Usui sehr wichtig, dass seine Schüler lernten, diesen Byosen wahrzunehmen, ihn richtig einzuordnen und ihm während einer Reiki-Behandlung zu folgen. Wer das nicht beherrschte, musste so lange üben, bis er es beherrschte, bevor er weiterlernen durfte. Und erst recht viel Wert auf die konkrete Byosen-Arbeit hat sein Schüler Chujiro Hayashi gelegt, der als Doktor der Medizin ja sogar den expliziten Auftrag von Mikao Usui erhalten hatte, Reiki in Hinblick auf seinen medizinischen Nutzen weiter zu erforschen.

Weil es zum Erlernen dieser konkreten Byosen-Arbeit allerdings Zeit, Geduld und viel Übung braucht, wurde das Konzept im Westen schon bald massiv vereinfacht und auf standardisierte Handpositionen reduziert – unabhängig vom tatsächlichen individuellen Bedarf, in der Hoffnung, dass Reiki, nach dem Gießkannenprinzip verteilt, schon irgendwie seinen Weg dorthin findet, wo es gebraucht wird. Was vermutlich als Hilfe von Frau Takata für die Anfänger gedacht war, wurde in der westlichen Reiki-Szene schon bald zum Dogma erhoben, untermauert von einem weiteren Dogma, nämlich dass Reiki “eigenintelligent” sei…

“Wasch mich, aber mach mich nicht nass…”

Nun, Reiki ist Energie. Nicht mehr und nicht weniger. Wie intelligent ist der Strom in deinem Haus? Wenn du im ersten Stock den Lichtschalter betätigst, erwartest du dann, dass automatisch auch im Keller das Licht angeht? Wenn du eine Herdplatte einschaltest, glaubst du dann, dass du automatisch auch auf allen anderen Platten daneben kochen kannst? Wieso denkst du dann, dass Reiki “eigenintelligent” sei?

Zum Glück verfügt unser Körper über eine hohe Energieleitfähigkeit und kann Reiki tatsächlich bis zu einem gewissen Grad dorthin “ziehen”, wo er es gerade am dringendsten braucht. Doch Tatsache ist: Je weiter der Weg von unseren Händen bis zur betreffenden Stelle, umso weniger der dringend benötigten Energie kommt auch wirklich dort an. Wohin würdest du den Topf mit Wasser stellen, das du zum Kochen bringen möchtest? Auf die eingeschaltete Herdplatte oder auf eine der anderen daneben?

Paradoxerweise können viele Praktizierende der verschiedenen westlichen Reiki-Stile die heiße Herdplatte sogar einwandfrei identifizieren, meiden sie dann allerdings ganz bewusst, eben weil sie heiß ist, und weil sie gelernt haben, dass das Gefahr bedeutet, so unter dem Motto: “Wasch mich, aber mach mich nicht nass…”

Wenn aus Glauben Wissen wird…

Eine meiner Jikiden Reiki Schülerinnen zum Beispiel war wochenlang wegen eines schmerzendes Fußes bei einer Freundin in westlicher Reiki-Behandlung – allerdings ohne Erfolg, weil die Freundin gelernt hatte, Stellen, die einen unangenehmen Byosen aufweisen, grundsätzlich zu meiden. Nach einer Stunde direkter und konkreter Jikiden Reiki Behandlung war der Fuß wieder völlig schmerzfrei.

Ich erzähle dir das nicht, um herauszustreichen, dass Jikiden Reiki das einzig wahre Reiki ist. Ich erzähle es dir, um zu illustrieren, wie wichtig es ist, über die Hintergründe und die konkrete Wirkungsweise von Reiki ausreichend Bescheid zu wissen. Erstens, damit du nicht mehr GLAUBEN musst, sondern WEISST, dass und wie Reiki funktioniert. Und zweitens, damit Reiki in der öffentlichen Wahrnehmung nicht länger als mysteriöses Heilverfahren einer dubiosen Sekte abgetan wird, nur weil viele Lehrer und Praktizierende längst selbst nicht mehr wissen, worum es eigentlich geht und was sie da eigentlich tun.

Vor allem aber erzähle ich dir das, damit du die vielen aus dem Halbwissen so mancher Reiki-Lehrer entstandenen Ängste in Bezug auf Reiki als das erkennen kannst, was sie sind: als Schatten an der Wand, die wir nur als bedrohlich empfinden, solange wir nicht sehen, wer sie verursacht und wie sie entstehen. Wie im wohl bekanntesten Gleichnis der Antike, dem Höhlengleichnis von Platon. Wer in der dunklen Höhle sitzt, sieht nur die Schatten der Dinge an der Wand und nicht, was in Wirklichkeit draußen im Licht vor sich geht…

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